Square of Reunification

published in Der Tagesspiegel, 21 December 2009

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The celebration of the 20th Anniversary of the fall of the wall and the Reunification of Germany and the way and the location it took place, is a valid manifestation how much Berlin is in need of and enjoys its public spaces whether for assembly, public concerts, celebrations, anniversaries or demonstrations. The squares of Berlin are its best public living rooms.

In the not so distant past, Berlin lost its most beautiful and most reverent, 100-year old Platz der Republic. Instead of reconstruction of its form damaged in the Second World War to its prewar eminence including its two beautiful, symmetrically positioned fountains and its link to the Spree, a long strip of buildings was imposed segregating between the Spree and the Bundestag. This is among the most tragic urbanistic mistakes made in Berlin in the 1990s.

 

Today, inevitably the centre of public gathering has moved to the area around Brandenburg Gate appropriating its both sides, the East and the West. Because the character of the Pariser Platz is a mixture of public and semi-domestic functions, it provides a rather confined frame for large gatherings. That is why the Western front of the Brandenburg Gate, facing the Tiergarten took over quite naturally the function of holding large assemblies. Its capacity was well demonstrated on many occasions particularly on weeks long FIFA World Cup in 2006, on the occasion of Barack Obama's pre-presidential visit to Berlin and in the present large scale unification celebrations.

 

This natural drifting of Berliners to this area deserves consideration. At the present moment, the place between Brandenburg Gate and Tiergarten has no definite form; it lacks coherent enclosure and doesn't match architecturally the classical, formal shape of the Pariser Platz. It has however an inherent potential concealed today by engineer's roads meandering around the Brandenburg Gate. With no need for extensive work, the area can be converted into an architectural form that is spatially and symbolically meaningful. An architectural form that acknowledges and exploits the intrinsic duality of the Brandenburg Gate's East and West orientation, defines even more clearly the powerful axis of 17. Juni leading to two equally meaningful places, the Pariser Platz and the newly redesigned place which in my opinion should be named Platz der Wiedervereinigung (Square of Reunification).

 

The ensemble of the two squares interconnected by Brandenburg Gate will constitute a unique architectural composition in the nature of the long tradition of European urbanism.

 

The flow of traffic in front of Brandenburg Gate cannot and should not be changed, but will become a part of the paving pattern of the Platz der Wiedervereinigung (Square of Reunification). Instead of today's visual domination of the road, its meandering asphalt form will be dissolved within the new diamond pattern of the place. This pavement pattern of the square will be the result of ray-like lines emanating from the West side of the Brandenburg Gate and the rays originating from the end of the 17. Juni, crossing each other in a pattern vaguely reminiscent of the Piazza Capitol in Rome.

 

On the two Tiergarten borders of the diamond shape of the new Platz der Wiedervereinigung (Square of Reunification), a provision for permanent installation for sound and light systems should be sensitively incorporated. It will eliminate the need and costs for heavy electronic equipment to be brought in advance of every performance.

 

The new Platz der Wiedervereinigung (Square of Reunification) should have another important function; it should become as well the Denkmal für Freiheit und Einheit Deutschlands (Memorial for Freedom and Unification of Germany). It will be in my opinion, the most appropriate solution for the problematic and unresolved competition that failed to provide results because of its unsuitable location and the very fact that no physical material can express today the sentiments and intensity of feelings related to important historical events. After all, the Reunification was made possible by people challenging authority in Leipzig, Berlin, and other cities. This civil courage can be expressed best by creating a public space for people, for people to reflect, to recollect, and to enjoy the fruits of the struggle. No amount of concrete and bricks can do it alone.

 

It is not a grandiose task, rather simple, but not simplistic. A civic pride is needed to accomplish it. As Berlin by nature of its urbanity is less about buildings than about spaces in-between, we have an opportunity to create another one of beauty and meaning.

 

Zvi Hecker
November 2009

 

DE

Platz der Wiedervereinigung
„Der Tagesspiegel", 21. Dezember 2009, N. 20478

Die Feiern zum 20. Jahrestag des Mauerfalls und deren Schauplätze haben eindringlich gezeigt, wie sehr Berlin öffentliche Räume braucht – für Versammlungen, Konzerte, Feste, Jubiläumsfeiern oder Demonstrationen. Die Plätze von Berlin sind die gute Stube dieser Stadt.

Es ist noch gar nicht lange her, dass Berlin seinen schönen, hundert Jahre alten Platz der Republik verloren hat. Statt seinen im Zweiten Weltkrieg zerstörten Grundriss und seine Maßstäblichkeit zu rekonstruieren und den Rang wiederherzustellen, den er mitsamt seiner beiden symmetrisch positionierten Springbrunnen und der Verbindung zur Spree innehatte, wurde ihm ein langgestreckter Gebäuderiegel aufgezwungen, der den Bundestag von der Spree abtrennt.

Dies war eine der verhängnisvollsten städtebaulichen Fehlentscheidungen der 90er Jahre.

Heute hat sich der Schwerpunkt der Versammlungen und Veranstaltungen auf den Bereich um das Brandenburger Tor verlagert – und zwar auf beide Seiten des Tors, die östliche und die westliche. Der Pariser Platz ist von einer Mischung aus öffentlichen und halböffentlichen Funktionen geprägt und bietet nur einen eingeschränkten Rahmen für große Menschenansammlungen. Daher hat der Bereich westlich des Brandenburger Tors an der Nahtstelle zum Tiergarten die Rolle eines großräumlichen Versammlungsplatzes übernommen. Er hat sich bei vielen Anlässen bewährt, in den Wochen der Fußballweltmeisterschaft 2006, beim Besuch des Präsidentschaftskandidaten Barack Obama und oder eben bei den jüngsten Feiern zum Mauerfall-Jubiläum.

Die Hinwendung der Berliner zu diesem Ort sollte nicht unterschätzt werden. Gegenwärtig hat der Stadtraum zwischen Brandenburger Tor und Tiergarten keine definierte Gestalt. Ihm fehlt eine klare Fassung, weshalb er auch kein architektonisches Pendant zur barocken Grundrissform des Pariser Platzes bietet. Er birgt jedoch ein Potenzial, das wegen der Straßen rund um das Brandenburger Tor derzeit noch nicht erkannt wird. Ohne aufwendige Baumaßnahmen könnte dem Bereich jedoch eine architektonische Fassung von besonderer stadträumlicher und symbolischer Bedeutung gegeben werden.

Durch eine Form, mit der die dem Brandenburger Tor eigene Dualität der Ost-West-Ausrichtung anerkannt und genutzt wird, könnte die ausdrucksstarke Achse der Straße des 17. Juni noch hervorgehoben werden. Sie würde dann auf zwei bedeutende Plätze zuführen, auf den Pariser Platz und den neu gestalteten Platz, der den Namen Platz der Wiedervereinigung tragen sollte.

Das Ensemble der beiden Plätze, verbunden durch das Brandenburger Tor, würde eine einzigartige architektonische Anlage in der langjährigen Tradition des europäischen Städtebaus darstellen.

Der Verkehrsverlauf braucht nicht verändert zu werden, er kann sich in die gepflasterte Struktur des Platzes der Wiedervereinigung einfügen. Anstelle der heute visuell dominierenden Fahrbahnen würden sich deren Windungen in das neue rautenförmige Platzmuster integrieren und sich darin auflösen. Die Pflasterstruktur des Platzes ergibt sich aus den strahlenförmigen Linien, die von der Westseite des Brandenburger Tors ausgehen, und den Linien, die sich aus der anderen Richtung, vom Ende der Straße des 17. Juni aus, nach Osten entfalten. Beide überlagern sich zu einem Muster, das Assoziationen an die Piazza Capitol in Rom weckt.

An den Rändern des rautenförmigen neuen Platzes zum Tiergarten hin sollten diskrete Vorrichtungen für dauerhafte Verstärkungs- und Beleuchtungssysteme integriert werden. So müsste man nicht mehr vor jeder Veranstaltung kostspieliges elektronisches Equipment aufbauen.

Der Platz der Wiedervereinigung kann noch eine weitere wichtige Funktion erfüllen – als deutsches Freiheits- und Einheitsdenkmal. Dies wäre die angemessene Antwort auf den problematischen Wettbewerb, der im zurückliegenden Jahr kein Ergebnis erbracht hat, weil der Standort gegenüber dem geplanten Stadtschloss sich nicht eignet. Und weil keine Denkmalskunst, kein physisches Objekt heutzutage die Intensität der Empfindungen zum Ausdruck bringen kann, die mit diesem bedeutenden historischen Umbruch einhergehen. Schließlich war die Wiedervereinigung das Werk jener Menschen, die in Leipzig, Berlin und anderen Städten die Obrigkeit herausgefordert haben, die auf die Straßen und Plätze gingen. Diese Zivilcourage kann am besten gewürdigt werden, wenn ein öffentlicher Raum geschaffen wird, an dem die Menschen sich zusammenfinden, nachdenken, feiern und die Früchte des Freiheitskampfs genießen. Beton und Ziegelsteine allein können dies kaum bewerkstelligen.

Den Platz vor dem Brandenburger Tor umzugestalten, ist keine pompöse, sondern eine klare, wenn auch nicht simple Aufgabe. Bürgerschaftlicher Stolz ist gefordert, um sie zu bewältigen. Das urbane Berlin ist weniger durch Bauten als durch offene Räume geprägt . Hier eröffnet sich die Möglichkeit, einen weiteren zu schaffen, der schön und bedeutend sein kann.

Zvi Hecker, geb. 1931, ist einer der bedeutendsten Architekten Israels. Er lebt und arbeitet in Berlin; hier baute er die Heinz-Galinski-Schule. – Aus dem Englischen von Stefanie Endlich.

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