Why we will never be proud of the new airport of Berlin

published in Der Tagesspiegel, 7 December 2014

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The Berliners watch with amazement the saga of the BBR, our new airport. As it is well known, it was scheduled to be open on May 13th, 2013 and it seems there are ever new difficulties to find a new date for its opening. A lot has been written about this unexpected and quite astonishing series of events. The general public is informed that mistakes have been found in the design and execution of the airport but no one is ready to take on the responsibilities for what has been wrongly done. The architects claim that they have done their part correctly and suggest looking for reasons beyond the architectural design. Probably the same answer one can expect from the engineers. The supervisors on site of the construction certainly believe they are well covered as they only carry on what was indicated in the plans that they have received. We don't know what really happened and maybe we will never know.

Actually we don't need to be informed – we can make our own analysis.

In my opinion, the failure of the airport opening is deeply rooted in the way we approach the importance of the built environment here in Berlin, particularly after the unification of Germany. I believe one can say with a degree of certainty that after the unification, no real piece of architecture was built in Berlin, no new Neue National Gallery, no new Philharmonie, no new Staat Bibliothek, I am convinced that in the conservative atmosphere of today in Berlin, Sharoun will have no chance to build the Philharmonie.

Before unification, Berlin was an island in the sea of communist regimes and as such had to prove its importance and its very existence. It had to be better than the world around; more visible by what it does and by what it initiates. International competitions were staged in order to choose not banality but originality. The Jewish Museum and the Jewish School are the results of these intentions, of this policy. Actually it needed more than intention only it needed careful thinking and courage to be open to new solutions.

It also needed what is most important: to put in charge of this policy professional and knowledgeable architects like Uli Stange to whom we should be thankful for his devoted work in Senat für Bau.

As it is well known, it is not enough to make a competition for the airport. The selection of the members of the jury is a crucial factor in the results of the competition - a mediocre jury will select a mediocre project and the effort of many talented architects is totally missed. Who knows what masterpieces could have emerged if the site and the program of the Schloss would be open to free interpretation of excellent architects.

Berlin following the unification became the capital of Germany, no longer an island fighting for its right to exist. The city does not feel that it needs to prove its importance – its new status became its very importance. Today, architectural banality is the way Berlin grows and expands. It derives its positive connotations not from what is done today but what was done by previous administrations that were willing and able to give the chance to build to the greatest names in architecture of the twentieth century. Today, doing nothing new, we became parasites on the achievements of previous generations.

Today's lack of vision, lack of courage is responsible in my opinion for the disaster of the new airport.

The jury of the competition for the airport has chosen the simplest architectural banality: flat roof on forest of columns. While other countries, other cities consider their airports as the most important gates, Berlin's airport has no image to remember neither is it a gate to welcome. And this very banality also proved to be not functional. But if it would be a piece of outstanding design it would be checked thoroughly many times before approved for construction. We will not have to pay for unnecessary mistakes.

If one would be cynical one would say that what happened is the right punishment for those who deprived Berlin of the possibility to have a new Philharmonie, new Neue National Gallery, to represent in new achievement the spirit and energy of Berlin. But unfortunately this is a punishment for all of us who have to pay for it. Sadly I don't see that Berlin will learn. Mediocrity is still considered good though BBR failed because it was considered nothing to be worried about. Even if the BBR will open one day we will never be proud of it. Hopefully it will remain a warning that banality doesn't pay.

 - Zvi Hecker

December 2014

  

DE

Berlin - Stadt der Mittelmäßigkeit
published in Der Tagesspiegel, 7 December 2014
Original Titel: Warum wir niemals stolz sein werden auf den neuen Berliner Flughafen

Die Berliner sehen mit Verwunderung die Saga des BER, unserem neuen Flughafen. Wie allgemein bekannt, sollte dieser planmäßig am 03.06.2012 in Betrieb genommen werden. Aber es scheint, als wenn sich immer neue Schwierigkeiten ergeben, um ein neues Eröffnungsdatum zu suchen und nicht zu finden.

Wieder und wieder wurde über eine unerwartete und durchaus zahlreiche Folge von Ereignissen geschrieben. Der Öffentlichkeit wurde mitgeteilt, dass Fehler bei der Planung und Ausführung des Flughafens gemacht wurden, aber niemand existiert, um Verantwortung für das, was falsch gemacht wurde, zu übernehmen.

Die Architekten nehmen für sich in Anspruch, ihre Arbeit fehlerfrei geleistet zu haben und sehen mögliche Gründe für sämtliches Scheitern außerhalb des architektonischen Entwurfs. Eine ähnliche Antwort können wir vermutlich von den Fachplanern erwarten. Die Bauaufsicht wird sicher glauben, dass sie ausreichend gedeckt ist, da sie schließlich nur das ausführt, was auf den von ihnen erhaltenen Plänen steht.

Mit Sicherheit werden wir nie erfahren, was die wahren Gründe für dieses finanzielle, organisatorische und wirtschaftliche Fiasko sind.

Eigentlich müssen wir es gar nicht erfahren – wir ziehen unsere eigenen Schlüsse.

Meiner Meinung nach liegt das Scheitern der Flughafeneröffnung tief in der Art und Weise begründet, wie wir die Wichtigkeit der gebauten Umwelt in Berlin angehen, insbesondere nach der Deutschen Einheit. Ich glaube, dass man mit einiger Sicherheit sagen kann, dass nach der Wiedervereinigung sehr wenig erwähnenswerte Architektur in Berlin gebaut wurde. Keine neue Neue Nationalgalerie, keine neue Philharmonie, keine neue Staatsbibliothek, um nur Einiges zu nennen.

Ich bin überzeugt, dass Scharoun in der gegenwärtigen konservativen Stimmung keine Chance gehabt hätte, ein solches Meisterwerk wie die Philharmonie zu bauen.

Vor der Wiedervereinigung war Berlin eine Insel im Meer kommunistischer Regime und als Solche hatte es seine Wichtigkeit und seine Existenz unter Beweis zu stellen. Berlin musste besser sein als die Welt um sich herum; sichtbarer bei dem was sie tat und initiierte. Internationale Wettbewerbe wurden mit der Intention ausgelobt, nicht Banalität, sondern Originalität auswählen zu können. Das Jüdische Museum und die Jüdische Grundschule sind das Ergebnis dieser Intention, dieser Politik. Es bedurfte denn auch mehr als nur Intention.

Umsichtiges Denken und Mut zur Offenheit gegenüber neuen Lösungen waren notwendig.

Weiterhin, und dies ist das Wichtigste für die Entwicklung einer Stadt, benötigt man professionelle und sachkundige Architekten als Hauptverantwortliche in der Politik; beispielsweise den späten Uli Stange, dem wir an dieser Stelle für seine engagierte Arbeit im Senat für Stadtentwicklung danken sollten.

Wie wir in der Zwischenzeit leidvoll erfahren mussten, reicht es nicht, einen Wettbewerb für einen Flughafen auszuschreiben. Schon die Auswahl der Jurymitglieder ist ausschlaggebend für das Wettbewerbsergebnis – eine mittelmäßige Jury ist nicht in der Lage, Qualität von Mittelmäßigkeit zu unterscheiden und somit eine erfolgsversprechende Auswahl für ein solch wichtiges Projekt zu treffen.

Bemühungen vieler talentierter Architekten waren völlig umsonst. Wer weiß was für ein Meisterwerk hätte entstehen können, wenn Grundstück und Raumprogramm des Stadtschlosses offen zur freien Interpretation von hervorragenden Architekten gewesen wären.

Das Berlin nach der Wiedervereinigung wurde die Hauptstadt Deutschlands und war nicht länger eine Insel, welche um ihre Existenz kämpfen musste. Es fühlte sich nicht so an, als hätte die Stadt das Bedürfnis oder die Notwendigkeit, ihre Bedeutung unter Beweis stellen zu müssen – der neue Status wurde offensichtlich zum einzigen Bestreben Berlins.

Heute ist architektonische Banalität in Berlin bereits Standard und so wächst und expandiert Berlin. Es leitet sein positives Image nicht von dem ab was heutzutage entsteht, sondern von dem, was frühere Administrationen zu bewilligen bereit waren, konnten und wollten, um dem Bauen der großen Architekten des 20. Jahrhunderts eine Chance zu geben. Heute sind wir, indem wir nichts Neues mehr ausprobieren, die Parasiten der Erfolge früherer Generationen.

Der heutige Mangel an Vision, der Mangel an Mut, ist meiner Meinung verantwortlich für die Katastrophe des neuen Flughafens.

Die Wettbewerbsjury des neuen Flughafens hat die simpelste, architektonische Banalität ausgewählt: ein flaches Dach auf einem Wald aus Stützen. Während andere Länder, andere Städte ihre Flughäfen als die wichtigsten Zugänge zu Ländern und Städten betrachten, hat Berlin hier weder ein Bild zum Erinnern noch einen würdigen Empfang zu bieten. Und diese ganze Banalität stellte sich überdies als nicht funktional heraus. Wäre es jedoch ein herausragender Entwurf gewesen, hätte man diesen viele Male sorgfältig geprüft bevor die Realisierung genehmigt worden wäre. Und wir als Bevölkerung müssten nicht für die unnötigen Fehler unnötig Geld bezahlen.

Zyniker könnten sagen, dass das was passiert ist die gerechte Strafe für diejenigen ist, die Berlin um die Möglichkeit einer neuen Philharmonie, einer neuen Neue Nationalgalerie gebracht haben und somit um eine neue Errungenschaft, die den Geist und die Energie von Berlin repräsentiert. Aber leider ist es eine Strafe für alle diejenigen, die dafür bezahlen müssen. Traurigerweise sehe ich nicht, dass Berlin daraus lernen wird. Mittelmäßigkeit wird immer noch als gut genug erachtet, obgleich der BER scheiterte.

Jeder der Verantwortlichen war sich seiner sicher, man müsste sich um nichts kümmern und um nichts Sorgen machen.

Das Geld anderer auszugeben, kann so einfach sein.

Selbst wenn der BER einmal eröffnet werden sollte, werden wir niemals stolz auf ihn sein. Hoffentlich bleibt es eine Warnung, dass Banalität sich nicht auszahlt.

- Zvi Hecker
Dezember 2014

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